25|04|2018

BayPsychKHG

Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG)

Der am 10.04.2018 veröffentlichte Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG) enthält eine Reihe von Ansätzen, die der Verbesserung der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen dienen sollen. Obgleich einzelne dieser Ansätze für sich genommen zu begrüßen wären, so beinhaltet der Gesetzesentwurf als Ganzes eine dramatische Einschränkung der Grundrechte von Menschen mit psychischen Erkrankungen, verstärkt die bestehende Stigmatisierung und führt zu einer pauschalen Kriminalisierung psychischer Störungen und stellt insgesamt ein Rückschritt für die Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen dar. Die DGKJP, BAG und LAG sowie der BKJPP möchten mit der vorliegenden Stellungnahme darüber hinaus betonen, dass das Gesetz in der vorliegenden Fassung dem besonderen Schutzbedarf und Fürsorgeanspruch von Kindern und Jugendlichen gemäß der UN-Kinderrechtskonvention in keiner Weise gerecht wird.

Die bereits veröffentlichte Stellungnahme des „Aktionsbündnisses zum Bayerischen-Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“ vom 23.4.2018 wird von der DGKJP vollumfänglich unterstützt. Der Fokus der Gesetzesvorlage liegt primär auf der Gefahrenabwehr, von der angenommen wird, dass sie von Menschen mit psychischen Erkrankungen ausgeht. Das Gesetz impliziert damit, dass Menschen mit psychischen (seelischen) Erkrankungen per se gefährlich seien und damit eine analoge Behandlung zu kriminellen Personen gerechtfertigt sei. Diese Einschätzung ist fachlich absolut unzutreffend und stellt eine undifferenzierte und schwere Diskriminierung derjenigen dar, die in Krisensituationen am dringendsten Hilfe und Verständnis benötigen. Jeder und jede Dritte der in Deutschland lebenden Bevölkerung wird zumindest einmal im Leben an einer psychischen Störung leiden. Die potentielle Kriminalisierung von Bevölkerungsgruppen sowie das eklatante Außerachtlassen jeder fachlichen Evidenz ist einer demokratisch gewählten Regierung unwürdig.

Die wesentlichen Kritikpunkte an dem Gesetzesentwurf lassen sich aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht wie folgt zusammenfassen:

1. Alle freiheitsentziehenden Maßnahmen müssen primär der Hilfe und Unterstützung der Menschen mit psychischen Erkrankungen dienen, erst in zweiter Linie der öffentlichen Ordnung.

2. Am deutlichsten weicht der Geist des Gesetzes hierbei von den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen ab. Während eine zivilrechtliche Unterbringung (§ 1631b Abs. 1 BGB) alleinig auf das Kindeswohl abzielt, so spielt das Wohl des Kindes bei der öffentlich-rechtlichen Unterbringung auf Basis des PsychKHG in der vorliegenden Fassung keine Rolle. Die Personensorgeberechtigten erfahren bei einer Unterbringung ihres Kindes nach PsychKHG eine empfindliche Einschränkung der grundgesetzlich in Art. 6 gesicherten Rechte der Erziehungsberechtigten.

3. Daher ist zu fordern, dass bei Kindern und Jugendlichen grundsätzlich Unterbringungen nur dann nach PsychKHG erfolgen können, wenn eine zivilrechtliche Unterbringung nach § 1631b Abs. 1 BGB nicht durchführbar ist, weil die Personensorgeberechtigten nicht erreichbar sind. Entsprechend der überwiegenden Rechtsauffassung sollte die öffentlich-rechtliche Unterbringung das subsidiär einzusetzende Mittel sein.

4. Zudem ist zu definieren, dass eine Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in psychiatrischen Kliniken nur dann nach PsychKHG durchzuführen ist, nachdem eine fachärztliche Untersuchung die psychiatrische Indikation für eine Unterbringung bestätigt hat.

5. Dem öffentlichen Bedürfnis nach Sicherheit ist nicht durch eine Kriminalisierung psychisch erkrankter Personen zu begegnen. Krisensituationen bei seelischen Ausnahmezuständen stellen medizinische Notfälle dar, die analog zu anderen medizinischen Notfällen in aller Regel kurzfristig sind und keine langfristigen Einschränkungen der Grundrechte zur Folge haben dürfen.

6. Die Einspeisung von persönlichen medizinischen Daten in einer Unterbringungsdatei oder die Weitergabe von Daten an Aufsichtsbehörden sind eklatante Verletzungen der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und grundsätzlich abzulehnen. Gerade bei Kindern und Jugendlichen und jungen Erwachsenen bedeutet eine frühe Erfassung in einem an Straftaten angelehnten Register eine frühe und dauerhafte Stigmatisierung

DGKJP, BAG, LAG und BKJPP fordern deshalb alle verantwortlichen Politikerinnen und Politiker auf, offenbar aktuell schon geführte Sammeldateien von Kindern und Jugendlichen, die auf der Rechtsgrundlage des § 1631b Abs. 1 BGB oder des Bayerischen Unterbringungsgesetzes in kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen aufgenommen worden sind, sofort zu löschen. Diese Datensammlung entspricht im Übrigen auch nicht den Datenschutzgesetzen der Länder, des Bundes sowie der EU.

Zusammenfassend fordern die kinder- und jugendpsychiatrischen Verbände die Bayerische Staatsregierung auf, umfassende Verbesserungen an dem vorliegenden Gesetzesentwurf vorzunehmen und in diesem Prozess eine breite Beteiligung der Fachgesellschaften, sozialen Verbände und Träger sowie der Selbsthilfe und Patientenorganisationen vorzunehmen. Angesichts der heutigen Ankündigung in der Presse, dass die Bayerische Staatsregierung aufgrund der Proteste auf das geplante Register verzichten werde, sehen wir einem neuen Gesetzesentwurf mit hohen Erwartungen entgegen.

Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP)
Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. (BAG KJPP)
Berufsverbandes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e. V. (BKJPP)
Landesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Bayern (LAG KJPPP Bayern)

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