14|08|2020

Krankenhauszukunftsgesetz

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz – KHZG)

 

Die DGKJP begrüßt ausdrücklich die Streichung der bettenbezogenen Mindestvorgaben für die Berufsgruppe der Psychotherapeuten, da sie in der PPP-RL systemfremd ist und fachlich nicht gerechtfertigt, wenn für alle anderen Berufsgruppen eine patientenbezogene (Eingruppierung und Belegung) Vorgabe erfolgt. Der Gesetzentwurf sieht bereits vor, dass in § 136a Abs. 2 der Bettenbezug als Maßstab gestrichen wird. Dies ist folgerichtig.

Jedoch möchten wir für den logischen nächsten Schritt, dass die Minutenwerte für Psychotherapeut*innen im G-BA daraufhin erneut angepasst werden sollten, hier eine Dysbalance ansprechen.

Eine Intensivierung der Psychotherapie in der stationären Behandlung für Kinder mit der dazugehörigen Familientherapie ist notwendig und leitliniengerecht, seitdem durch Modifikationen der Verfahren praktisch alle vorkommenden Störungen psychotherapeutisch behandelt werden können. Dieses kann aber nur mit Einbezug aller psychotherapeutisch tätigen Berufsgruppen erreicht werden.

An dieser Stelle ist zu betonen, dass Psychotherapie nach allen Leitlinien und allem Lehrbuchwissen die Hauptbehandlungsmethode in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie ist, weit vor z.B. der Pharmakotherapie. Ausgeübt wird sie von Ärzt*innen, Psycholog*innen, psychologischen bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychoherapeut*innen und in Zukunft auch der neuen Berufsgruppe der (nicht-ärztlichen) Psychotherapeut*innen. Deshalb müssen in der PPP-RL die Mindestvorgaben für alle diese Berufsgruppen adäquat angehoben werden. Eine alleinige Mindestvorgabe für die eine Berufsgruppe der (nicht-ärztlichen) Psychotherapeute*innen ist bedarfs- und realitätsfremd – auch wenn traditionell die psychologisch-psychotherapeutischen Berufsgruppen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bereits etwa die Hälfte der akademischen Stellenanteile ausfüllen.

In diesem Sinne sei zusätzlich darauf hingewiesen, dass folgerichtig infolge der jetzt zum 30.7. in den meisten Bundesländern in Kraft getretenen Weiterbildungsordnung zum Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie die Verpflichtung der Weiterbildungsassistent*innen, Psychotherapien durchzuführen, nochmals gegenüber den Ausgangswerten der Psych-PV gestiegen ist, ebenso die Verpflichtung der Oberärzt*innen (in den Minutenwerten jetzt includiert) für Supervisionen nach jeder 4. Sitzung.
Aufgrund der ärztlichen Stellenverteilung in den meisten Kliniken ist nicht davon auszugehen, dass der Psychotherapie-Anteil der Weiterbildung gänzlich während einer Rotation in die Institutsambulanzen erbracht werden kann, sondern die zu erbringenden Stunden und die Supervisionsleistungen dürften sich gleichmäßig verteilen.
Das Volumen der zu leistenden Psychotherapien und Supervisionen ist mit der bereits erfolgten prozentualen Erhöhung von 5 % für die Ärzt*innen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie gegenüber der Psychiatrie-Personalverordnung nicht annähernd abgebildet.

(Berechnung am Beispiel der Supervisionssitzungen):

(Kalkulationsbasis: 253 Arbeitstage/ Jahr z.B. in Baden-Württemberg: – 30 Tage Urlaub, – 10 Tage Fortbildung, – 6 Tage Freizeitausgleich nach Bereitschafts-/ Rufbereitschaftsdienst = 207 Tage).
207 Tage = 41,4 Arbeitswochen.
Ärztliche Arbeitszeit in Minuten je Patient*in und Woche nach PPP RL: KJ 1 270 Minuten, KJ 2 264 Minuten (davon nach Psych-PV plus 5 %):
Für Psychotherapie weist die PPP-RL keine gesonderten Minutenwerte vor. Jedoch wurde die PPP-RL an den Minutenwerten der Psychiatrie-Personalverordnung entwickelt, in der für alle Kategorien insgesamt 200 Minuten/Woche ärztliche Psychotherapie (je 5 Patient*innen) für die Stationsärzt*innen zuzüglich 60 Minuten Gruppentherapie und 12 Minuten Anleitungs-/ Supervisionstätigkeit für Oberärzt*innen je Woche vorgesehen waren.

Die M-WBO sieht 240 Kurz- und Langzeittherapiesitzungen vor und 120 Gruppentherapie-Stunden, d.h. für eine*n Weiterbildungsassistent*in in Vollzeit 60 Einzel- und 30 Gruppentherapiesitzungen mit einem Supervisionsbedarf von 30 Minuten je Weiterbildungsassistent*in und Fall (Glossar zur Musterweiterbildungsordnung).
Supervision nach jeder 4. Sitzung hieße dass insgesamt 22,5 Supervisionen à 30 Minuten je Assistenzärzt*in und Jahr von eine*r Oberärzt*in geleistet werden müssten (für 4 Weiterbildungsassistent*innen somit 45 Stunden); diesen stehen 19,8 Stunden pro Jahr für eine*n Oberärzt*in (Psych-PV zzgl. 5 %, kalkuliert auf die erwartbaren Arbeitstage) für Weiterbildungstätigkeiten und Teilnahme an Fortbildungen gegenüber.
In der Gesetzesbegründung wird dies anerkennend bereits zutreffend ausgeführt, dass „eine bettenbezogene Mindestvorgabe ausschließlich für die Berufsgruppe der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten [Hervorhebung durch Autor] […] die notwendige Differenzierung der Psychotherapiebedarfe unterschiedlicher Behandlungsbereiche innerhalb einer psychiatrischen oder psychosomatischen Klinik ungenügend [abbildet] […].“

Diese Differenzierung muss sich auch im Gesetzestext selbst wiederfinden. Dieser hält jedoch die Einengung auf die Berufsgruppe der Psychotherapeuten nach wie vor aufrecht.

Wir schlagen daher folgende Formulierung in Art. 3 Nr. 2 vor:
In § 136a Absatz 2 Satz 9 wird die Angabe „30. September 2020“ durch die Angabe „30. September 2021“ und die Angabe „1. Januar 2021“ durch die Angabe „1. Januar 2022“ ersetzt sowie der Teilsatz „durch Mindestvorgaben für die Zahl der vorzuhaltenden Psychotherapeuten“ gestrichen. Ergänzt wird Satz 10 „Hierzu sind die entsprechenden Mindestvorgaben für die psychotherapeutisch tätigen Berufsgruppen anzupassen.“

Im Ergebnis sollte § 136a Abs. 2 SGB V somit lauten:
(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seinen Richtlinien nach § 136 Absatz 1 geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Qualität in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung fest. Dazu bestimmt er insbesondere verbindliche Mindestvorgaben für die Ausstattung der stationären Einrichtungen mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal sowie Indikatoren zur Beurteilung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität für die einrichtungs- und sektorenübergreifende Qualitätssicherung in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung. Die Mindestvorgaben zur Personalausstattung nach Satz 2 sollen möglichst evidenzbasiert sein und zu einer leitliniengerechten Behandlung beitragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt zu den Mindestvorgaben zur Personalausstattung nach Satz 2 notwendige Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen. Den betroffenen medizinischen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind durch den Gemeinsamen Bundesauschuss in die Entscheidung einzubeziehen. Bei Festlegungen nach den Sätzen 1 und 2 für die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung hat er die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich insbesondere aus den altersabhängigen Anforderungen an die Versorgung von Kindern und Jugendlichen ergeben. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die verbindlichen Mindestvorgaben und Indikatoren nach Satz 2 erstmals bis spätestens zum 30. September 2019 mit Wirkung zum 1. Januar 2020 zu beschließen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat als notwendige Anpassung der Mindestvorgaben erstmals bis zum 30. September 2021 mit Wirkung zum 1. Januar 2022 sicherzustellen, dass die Psychotherapie entsprechend ihrer Bedeutung in der Versorgung psychisch und psychosomatisch Erkrankter durch bettenbezogene Mindestvorgaben für die Zahl der vorzuhaltenden Psychotherapeuten abgebildet wird. Hierzu sind die entsprechenden Mindestvorgaben für die psychotherapeutisch tätigen Berufsgruppen anzupassen. Informationen über die Umsetzung der verbindlichen Mindestvorgaben zur Ausstattung mit therapeutischem Personal und die nach der Einführung mit den Indikatoren nach Satz 2 gemessenen und für eine Veröffentlichung geeigneten Ergebnisse sind in den Qualitätsberichten nach § 136b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 darzustellen.

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