21|08|2020

MTA-Reformgesetz

Entwurf eines Gesetzes zur Reform der medizinischen Assistenzberufe in der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedanken uns für die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Referentenentwurf für die medizinischen Assistenzberufe.

Auch wenn wir kein „technisches“ medizinisches Fach sind, so bedarf die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie dochzur Überwachung eventueller Nebenwirkungen der Psychopharmakotherapie – bei den schwerer erkrankten Kindern und Jugendlichen handelt es sich bekanntlich sehr oft um „off label“-Behandlungen – verlässlicher Labor- und EEG-Kontrollen.
Wenn wir intelligenzgeminderte Kinder und Jugendliche behandeln, haben diese oft nicht nur deutlich erhöhte Risiken für psychische Störungen, sondern auch überzufällig häufig gleichzeitig ein Anfallsleiden.
Daher äußern wir uns im Blick auf unsere besonders schützenswerte Klientel und beziehen uns ausdrücklich nur auf den Beruf der „Medizinisch-technischen Assistentin für Funktionsdiagnostik“ (MTA-F).

Wir begrüßen ausdrücklich die Absicht des Gesetzgebers, mehr Praxisanteile in die Ausbildung zu integrieren, und Unterricht nur durch ausgewiesene Fachkräfte erteilen zu lassen. Wir begrüßen auch die Anforderung der Ärztlichen Anforderung für medizinisch-technische Untersuchungen in § 5 Absatz 5.

In 2 Punkten sehen wir jedoch dringenden Veränderungsbedarf.

1. Wir sehen Verbesserungsbedarf bei den Vorbehaltsleistungen in § 5 Absatz 3 und der Ausnahme in § 6 Punkt 8.
Neurologische Funktionsdiagnostik über Elektroencephalogramme (EEGs) wird auch im Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie durchgeführt. Hier sieht die neue Vorschrift vor, dass neurologische Funktionsdiagnostik nur von Medizinischen Technologen durchgeführt und vorbefundet werden dürfe.
Sicher kann man ein EEG nicht zu den „einfachen“ Funktionsprüfungen zählen die ausgenommen werden können, wie vergleichsweise Spirometrie.

Wir sehen jedoch in der Praxis – u.a. angesichts eines eklatanten Mangels an derzeitigen MTA-F infolge zu geringer Ausbildungskapazitäten – dass sehr viele gut und korrekt durchgeführte EEG-Untersuchungen, evozierte Potenziale etc. unter ärztlicher Aufsicht und Anleitung durch speziell fortgebildete nicht-medizinische Fachkräfte durchgeführt werden.

• In den Universitätsklinika unseres Fachgebietes werden im Rahmen der Forschung, Klinischer Studien, Verlaufskontrollen auch neben Psycholog*innen und Biolog*innen (die man unter die Ausnahmeregelungen nach § 6.1 zählen kann) auch psychologisch-technische Assistent*innen oder Absolvent*innen technischer Ausbildungsberufe für EEG-Untersuchungen, evozierte Potenziale oder weitere neuropsychologische Untersuchungen eingesetzt.
• In kinderpsychiatrischen Praxen mit Sozialpädiatrie-Vereinbarung oder kleineren Versorgungskliniken wird das dort eingesetzte (heil )pädagogische Personal, Heilerziehungspfleger*innen (noch nicht generell als medizinisches Personal anerkannt) oder Absolvent*innen verschiedener, nicht medizinischer (z.B. technischer) Bachelorstudiengänge für diese Tätigkeiten der Verlaufsdiagnostik eingesetzt. Da unsere Patient*innen im Rahmen solcher Untersuchungen auch entängstigt und pädagogisch geführt werden müssen (es ist z.B. Stillliegen gefordert), macht das durchaus Sinn.

Diese Praxis wäre auch infolge § 6 Punkt 8 nicht aufrechtzuerhalten, nach dem nur Absolvent*innen eines medizinischen Grundberufs diesbezüglich unter ärztlicher Aufsicht tätig werden können sollen.
Wo nun aber inhaltlich der Unterschied zwischen einer Medizinischen Fachangestellten/ Arzthelferin oder einem/r gut fortgebildeten psychologisch-technischen Assistent*in bestehen soll, ist uns nicht nachvollziehbar.

Wir schlagen somit vor, die Ausnahmeregelung in § 8 zu erweitern auf „Personen, die eine die erforderlichen Voraussetzungen vermittelnde berufliche Ausbildung durchlaufen haben, sofern sie unter Aufsicht und Verantwortung einer der in Nummer 1 oder 2 benannten Personen tätig werden“. Der Wortlaut ist analog zu § 6 Punkt 3 gewählt und insofern mit der Diktion des Gesetzes konsistent.

Sollte sich der Gesetzgeber nicht auf die vorgeschlagene Veränderung verstehen, wäre hilfsweise wäre eine Verlängerung der Übergangsfristen von 3 auf 6 Jahre zu fordern, um medizinisches Personal sowohl rekrutieren als auch nachqualifizieren zu können und Wege zu finden, nicht medizinisches Personal zu entlassen.

2. Wir sehen Verbesserungsbedarf bei der Berechtigung zur Anforderung der Untersuchungen in § 5 Absatz 5.
Insbesondere lehnen wir in § 5 Absatz 5 eine Anforderung von medizintechnischen Untersuchungen, die der Erkennung oder der Beurteilung eines Verlaufs einer Erkrankung dienen, durch eine Heilpraktikerin oder einen Heilpraktiker – ohne dass der Gesetzgeber hier Einschränkungen formuliert hat! – ab. Ebenso lehnen wir nach § 6 Punkt 2 eine Durchführung durch Heilpraktiker*innen ab. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen sollten Diagnostik und Verlaufsuntersuchungen während einer durchaus nebenwirkungsreichen, aber erforderlichen Behandlung durch einen Arzt oder Facharzt angeordnet werden und nicht etwa aus mangelnder Fachkenntnis zu einer Umstellung oder zum Absetzen der Behandlung führen (z.B. infolge der Normalisierung eines EEG unter Medikation). Analog ist § 6 Punkt 2 zu sehen.

Hier würden wir jeweils vorschlagen, das Wort „Heilpraktiker“ ganz zu streichen. Hilfsweise fordern wir, Kinder und intelligenzgeminderte Menschen von dieser Regelung auszunehmen – auch wenn uns die positive Diskriminierung in diesem Falle sehr bewusst ist. Bei schweren neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen halten wir jedoch den Einsatz von Heilpraktiker*innen zur Diagnostik und Verlaufskontrolle für ethisch nicht vertretbar.

Wir gehen davon aus, dass Heilpraktiker*innen auch für andere Tätigkeitsfelder der medizinischen Technolog*innen, wie etwa die Anwendung von Strahlentherapie, ausgeschlossen werden sollten. Leider ist in der Gesetzesbegründung nicht erklärt, wie es zu dieser Tätigkeitszuweisung kommt, während andere Berufsgruppen ausgeschlossen sein sollen.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Michael Kölch                    Prof. Dr. Renate Schepker
Präsident                                             Vorstandsmitglied

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