02|10|2018

Weiterbildung in Teilzeit

Empfehlungen der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und der Fachverbände zu Weiterbildung in Teilzeit

erarbeitet durch die gemeinsame Kommission Aus-, Weiter- und Fortbildung

Präambel
Eine Weiterbildung in Teilzeit sollte jedem Arzt/jeder Ärztin in Weiterbildung (AiW) offen stehen. Die Vereinbarkeit von Weiterbildung und Familie ist den kinder- und jugendpsychiatrischen Verbänden ein wichtiges Anliegen. Die Verbände unterstützen explizit eine Weiterbildung in Teilzeit. Diese sollte zur Sicherung der Weiterbildungsqualität und unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse Minimalstandards erfüllen, die in den nachfolgenden Empfehlungen beschrieben sind. Vorangestellt wird der rechtliche Rahmen.

Rechtlicher Rahmen
Grundsätzlich kann ein Arbeitnehmer gemäß § 8 Abs.1 TzBfG verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird, sofern er länger als 6 Monate beschäftigt ist. Der Arbeitnehmer muss gem. § 8 Abs.2 TzBfG die Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung spätestens drei Monate vor deren Beginn geltend machen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass dieser Anspruch gem. § 8 Abs.7 TzBfG nur dann besteht, wenn der Arbeitgeber in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt. Dies kann insbesondere im niedergelassenen Bereich bei kleineren Praxen von Bedeutung sein. Eine Weiterentwicklung des Teilzeitrechts, wie beispielsweise einer Brückenteilzeit, befinden sich zur Zeit in der Diskussion. Geplant ist, dass die Änderungen im Jahr 2019 in Kraft treten.

Andere Regelungen für Mitarbeitende in Kliniken können sich auch aus den jeweiligen Tarifverträgen ergeben. Dort wird die Teilzeittätigkeit teilweise noch an minderjährige Kinder und/oder pflegebedürftige Angehörige gekoppelt.

Schließlich ist auch immer § 8 Abs.4 S.1 TzBfG zu berücksichtigen, wonach der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit nur dann zuzustimmen hat und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen hat, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund liegt gem. § 8 Abs.4 S.2 TzBfG insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.

Was die Weiterbildung zum Facharzt/ zur Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Teilzeit anbelangt, sind neben der gerade novellierten MWBO und den Weiterbildungsordnungen der einzelnen Bundesländer auch europarechtliche Vorgaben zu berücksichtigen. Von Bedeutung sind hier die Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG, die durch die Richtlinie 2013/55/EG noch einmal geändert worden ist. Gem. Art. 25 i.V.m. Art. 22 Ziffer a der Richtlinie 2005/36/EG können die Mitgliedstaaten gestatten, dass die Ausbildung unter bestimmten Voraussetzungen auf Teilzeitbasis erfolgt. Hierbei ist sicherzustellen, dass das Niveau und die Qualität nicht geringer sind als bei einer Vollzeitausbildung. Dies entspricht § 4 Abs.6 der MWBO der Bundesärztekammer

Die Weiterbildungszeit zum Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie- und psychotherapie beträgt bei Vollzeitbeschäftigung laut MWBO 60 Monate = 5 Jahre. Die Weiterbildung wird durch Weiterbildungsvertrag geregelt. Dieser wird gemäß § 1 ÄArbVtrG befristet, wobei gemäß § 1 Abs.3 ÄArbVtrG die Befristung maximal 8 Jahre betragen darf. Unter engen Voraussetzungen ist eine darüber hinausgehende Verlängerung gesetzlich vorgesehen. So zum Beispiel bei einer Verlängerung der Weiterbildungszeit im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung (§ 1 Abs.3 S.3 ÄArbVtrG). § 1 ÄArbVtrG geht gem. § 1 Abs. 5 ÄArbVtrG den arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen über befristete Verträge vor. Zu beachten ist allerdings, dass § 1 Abs.1 – 5 ÄArbVtrG dann nicht gelten, wenn der Arbeitsvertrag unter den Geltungsbereich des WisszeitVG fällt, was bei der Weiterbildung an Hochschulkliniken/Universitätskliniken jedenfalls nach der alten Fassung des WisszeitVG der Fall war.

Empfehlungen

  • Der Arbeitsvertrag ist über die Zeitdauer auszustellen, die erforderlich ist, um dem/der AiW die Weiterbildungszeit zu ermöglichen, für die die Weiterbildungsstätte ermächtigt ist (z. B. AIW 50 % Teilzeit, Weiterbildungsbefugnis für 2 Jahre → Arbeitsvertrag mit 50 % Arbeitszeit über 4 Jahre) bzw. für die Zeit zu erhöhen für die der /die AiW die Arbeitszeitreduzierung beantragt hat. Das dient dem Erreichen des möglichen, angestrebten Weiterbildungsziels innerhalb der Vertragsdauer.
  • Laut § 4 Abs.6 der MWBO ist Teilzeit-Weiterbildung anerkennungsfähig, wenn die Teilzeittätigkeit mindestens die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit umfasst. Ein Antrag beim Deutschen Ärztetag 2018 in Erfurt auf Anerkennung geringerer Anteile wurde an den Vorstand zurücküberwiesen. Einzelne Landesärztekammern haben den Bezug auf die 38,5-Std-Woche tariflicher Arbeitszeit festgelegt, andere erkennen auch geringere Anteile der Regelarbeitszeit an, wieder andere lassen Ausnahmen auf Antrag zu. Mehrarbeitsstunden können im Einzelfall angerechnet werden. Die Anrechnung von Bereitschaftsdiensten (Präsenzdiensten) bedarf einer sorgfältigen Einzelfallprüfung, die lokalen Gesetzmäßigkeiten (Klinikorganisation, Haltung der zuständigen LÄK) Rechnung trägt.
  • die Arbeitszeitverteilung sollte sowohl die familiären Notwendigkeiten des/der AiW als auch die betrieblichen Erfordernisse berücksichtigen. Nach § 8 Abs.3 TzBfG ist hierzu Einvernehmen zwischen Arbeitgeber/-in und Arbeitnehmer/-in herzustellen und die Arbeitszeitverteilung ist nach § 8 Abs.5 TzBfGbis zu einen Monat vor Beginn der Teilzeittätigkeit festzulegen.
  • Gründe die in den Arbeitsabläufen und der Sicherung der Versorgung liegen sind dabei laut § 8 Abs.4 TzBfG zu berücksichtigen (s. oben). Beide Seiten sollten Kompromissbereitschaft zeigen. Der Chefarzt/die Chefärztin bzw. der Praxisinhaber/die Praxisinhaberin sollte auf folgende Faktoren achten, um die Patientenversorgung aufrecht zu erhalten und die Arbeitsverdichtung gerecht auf alle Köpfe zu verteilen:
      • gesunder Mix aus Voll- und Teilzeitkräften
      •  ausreichende Abdeckung der Randzeiten
      • ausreichend Kapazitäten für Patientenfamilien-gerechte Gesprächszeiten
      • Weiterbildungsgespräche sind weiterhin jährlich zu führen
      • Die Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen im laufenden Betrieb ist entsprechend des Stellenanteils zu reduzieren, da mehr Zeit für die Generierung aller WB-Inhalte vorhanden ist als bei Vollzeitweiterbildung
      • Die Visiten und Besprechungen sollten so organisiert werden, dass die AiW verkürzt teilnehmen können
      • Teilzeitkräfte müssen sich mit anderen Teilzeitkräften in der Regel Arztzimmer/Büros teilen.

Vorteile der Weiterbildung in Teilzeit für den Arbeitgeber sind, dass längere Vertragsdauern mit dann relativ erfahrenen Kolleg/-innen zustande kommen. Das Verteilen der Arbeit auf mehrere Köpfe hat v.a. für die Flexibilität Vorteile. Ein völliger Ausstieg aus dem Berufsleben kann durch Teilzeit oft vermieden werden, was zu Zeiten des Ärztemangels bedeutsam ist.

Nachteile für den Arbeitgeber sind eine Vervielfachung von Anleitungstätigkeiten, eine Erschwernis der Dienst- und Urlaubsplanung und eine Ausweitung von Übergabe- und Besprechungszeiten. Allerdings reduzieren sich durch mehr Teilzeitkräfte die Lücken in der Patientenversorgung, die durch Abwesenheiten des AiW entstehen.

Die Arbeitszeit sollte – bestenfalls elektronisch − erfasst werden. Weiterbildungszeit, auch die extern absolvierten Anteile außer Selbsterfahrung, gilt als Arbeitszeit. Arbeitszeitausfälle durch Betreuung von kranken Kindern oder erhöhte Pflegeanforderungen für ältere Familienmitglieder können durch entsprechende Programme der Arbeitgeber (Betriebs-Kindertagesstätte mit Notfallplätzen, Modelle der Hausaufgabenbetreuung, Plätze für Kurzzeitpflege beim Träger) ausgeglichen werden und sollten arbeitgeberseitig angeboten werden. Anrechnung von Telearbeit an speziell dafür eingerichteten Arbeitsplätzen ist bei wenigen Trägern bereits möglich und erhöht die Flexibilität von Teilzeitarbeit deutlich. Dabei muss selbstverständlich –soweit vorhanden- der Personalrat einbezogen werden und der Datenschutz gewährleistet sein. Weiterbildungsmodule wie z. B. Teilnahme an e-Learning-Programmen, die außerhalb der Teilzeittätigkeit, in der Freizeit oder auch in der Elternzeit erworben worden sind, sollten unter Berücksichtigung der Möglichkeiten des Arbeitszeitgesetzes und des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes auf die Weiterbildungszeit angerechnet werden.

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